Wenn scheinbar nichts mehr geht - Verhandeln an der Grenze
Gerade jetzt in wirtschaftlich schweren Zeiten kommen Verhandlungen oft an ihre Grenzen: die Luft knistert förmlich, die Fronten sind verhärtet. Keine der Parteien ist noch bereit, einen Schritt auf die andere zuzugehen. Die Standpunkte sind offenbar nicht weiter verhandelbar, die wirtschaftlichen Erfordernisse lassen soweit man sehen kann auch keinen Spielraum mehr zu. Dabei ist es ganz gleich, ob es der Nachbar oder ein Geschäftspartner bzw. Kunde ist. Wie lässt sich wieder „Fahrt“ in solche Verhandlungen bringen, um doch zu einer Lösung zu gelangen? Oder wie lasse ich als Verhandlungspartner eine solche Situation vielleicht gar nicht erst entstehen? Auch in der Verhandlung ist Prävention das idealere Heilmittel.
Erfolgreiches Verhandeln ist eine alltägliche Tätigkeit. Sie ist bei bedeutenden Situationen, wie Tarifverhandlungen oder Gespräche über politischen Koalitionen offensichtlich. Schon wenn ein Kind um Taschengeld feilscht, wohin die Familie in Ferien fährt, wenn Sie mit Ihrem Nachbarn eine Grenzbepflanzung aushandeln, oder wenn Sie mit einer Behörde über die Auslegung der Vorschriften verhandeln – all das sind normale Verhandlungen.
Jetzt ist erfolgreiches Verhandeln sinnvoll!
Erfolgreiches Verhandeln bedeutet: „Zufriedenheit auf beiden Seiten!“ Unqualifizierte Konfrontation, Sieg oder Niederlage führen meist in eine Sackgasse, die durch ungute Gefühle gekennzeichnet sind. Erfolgreiche Verhandlungspartner sind weder kaltblütig noch hart, sondern setzen sich verständnisvoll und ohne übertriebene Forderungen für die Erreichung ihre Ziele ein. Gute Verhandlungen sind faszinierende Gespräche zwischen Menschen, die sich gegenseitig schätzen. Ohne anstrengende Aktionen werden Positionen bezogen, um Schritt für Schritt eine Gemeinsamkeit zu erreichen. Menschen sind unterschiedliche Individuen, die wenig identische Standpunkte oder unbewusst andere Blickwinkel einnehmen. Akzeptieren wir also von vorneherein die unterschiedlichen Blickwinkel und den festen Willen, zu einer Einigung zu kommen, bei der jeder Verhandlungspartner gewinnen kann. Ein wirklich guter Verhandlungspartner schlägt niemanden übers Ohr, sondern wird immer versuchen, eine WIN-WIN-Situation (also Gewinner-Gewinner-Situation) herbeiführen. Das einfachste Beispiel ist, dass bei einem Kauf der Käufer vor, während und nach der Verhandlung ein gutes Gefühl haben muss.
Nachfolgende Kriterien einer WIN-WIN-Verhandlungsbasis helfen Ihnen, erfolgreicher zu verhandeln:
1. Menschen wollen nicht alle dasselbe
Wir neigen dazu, anzunehmen, dass andere dieselben Dinge möchten, die wir wollen. Tatsache ist, dass alle Menschen verschiedene Ansichten über die meisten Dinge haben. Zwei Menschen können ein und dieselbe Sache betrachten und dennoch unterschiedlicher Meinung darüber sein. Erfolgreiche Verhandlungspartner versuchen, einen Standpunkt auf der anderen Seite einzunehmen und setzen sich „auf den Stuhl des Gegenüber“. Sie spekulieren, was der anderen Seite einen Nutzen bringen kann, ohne selbst zu vergessen, wo ihre eigene Position ist, um davon nicht abweichen zu müssen. Wir neigen dazu, Verhandlungen ausschließlich von unserer Seite aus zu betrachten. Kommen Sie zu einer neuen, offenen Sichtweise, betrachten Sie die Situation aus der Sicht des Verhandlungspartners und stellen Sie daraus die Vorteile Ihres Angebotes dar; z. B. bisherige Lösungen, Leistungen des Mitbewerbers, Innovation heraus.
2. Jeder ist ein Sieger
Das Ziel in jeder Verhandlung ist es, zu einer kreativen Einigung zu kommen und nicht, den Gegner zu schlagen. Alle Verhandlungsparteien sollen am Ende das Gefühl haben, zumindest zum Teil auch Gewinner zu sein. Das kann nur gelingen, indem jeder erhält, was er will. Natürlich funktioniert das nicht immer, aber oftmals lassen sich durch eine umfassende Bedarfsanalyse neben der Hauptverhandlungsmasse noch weitere Felder identifizieren, in denen dann eine Einigung möglich ist.
3. Jedem liegt etwas an seinem Gegenüber
Beiden Seiten sollte etwas an den Zielen des jeweiligen Gegenüber liegen. Sie möchten gerne, dass die andere Seite Ihnen zuhört, Ihre Bedürfnisse versteht und berücksichtigt. Wenn Ihr Gegenüber diesen Eindruck auch von Ihnen hat, haben Sie die richtige Ausgangssituation hergestellt.
4. Jede Seite hat das Gefühl von Fairness
Verhandlungen sollten von beiden Seiten fair geführt werden. Beispiel: Einer Mannschaft macht es nicht so viel aus, ein Spiel zu verlieren, wenn der Gegner fair nach den Regeln gespielt und gewonnen hat. Genau so ist es auch im Business – das bedeutet nicht, dass Sie Ihre Karten offen legen müssen, aber einmal getroffene Abmachungen dürfen beispielsweise im weiteren Verlauf nicht wieder in Frage gestellt oder über den Haufen geworfen werden. Und auch wenn sich die Rahmenbedingungen im Verlauf ändern, muss man eben neu starten – aber auch hier fair und ergebnisorientiert. Die Vertrauenssituation, die sich dann aus den Verhandlungen ergeben hat, ist die Basis der Motivation, sich an die getroffenen Vereinbarungen zu halten.
5. Beide Seiten würden gerne wieder miteinander verhandeln
Wenn eine Verhandlung zu einem guten und fairen Abschluss gekommen ist und jedem einen Nutzen gebracht hat, sind beide wieder gerne wieder zu einer Verhandlung bereit. Im Geschäftsleben heißt das, an einer Kundenbindung oder einem neuen Geschäft interessiert sein. Wenn ein Unternehmen nur am einmaligen Vorteil interessiert ist, wird sich das nicht nur auf die Geschäftsbeziehung, sondern auch auf dessen Existenz auswirken – in der heutigen transparenten und schnelldrehenden Zeit werden solche Unternehmen wohl nicht lange überleben. Achten sie also darauf, was sie fordern oder anbieten: würden Sie zu solchen Konditionen kaufen oder möchten Sie mit einem solchen Unternehmen langfristig zusammenarbeiten? Nein? Warum sollte die andere Partei das dann tun?
6. Berücksichtigen Sie im Gespräch mehr als einen Verhandlungsgegenstand
An einer Verhandlung sind viele Punkte beteiligt. Wenn sie alle berücksichtigt werden, gibt es mehr Spielraum, um alle Gewinner werden zu lassen. Finden Sie heraus, welche Punkte Ihr Gegenüber von Bedeutung sind. Je intensiver Sie gerade zu Beginn einer Verhandlung die unterschiedlichen Standpunkte und Ansatzpunkte herausfinden, desto besser haben Sie im weiteren Verlauf die Möglichkeit, aus diesem „Strauß“ die „richtige Blume“ herauszupicken und dafür eine Lösung zu finden. Bereiten Sie daher gerade die Anfangsphase gut vor und bringen Sie viele Fragen mit, um viele Informationen zu gewinnen.
7. Der Preis ist ein wichtiges Verhandlungsdetail
Der Preis ist keine Sache des Produktes, sondern des Gesamtnutzens, den man aus einem Produkt erzielt. Einkäufer bestätigen in meinen Workshops, dass sich Verkäufer immer auf dem Holzweg befinden, wenn sie nur und ausschließlich den Preis als Allheilmittel für erfolgreiches Verkaufen sehen. Außer dem Preis gibt es noch viele andere Dinge, die wichtig sein können. Bieten Sie klare, individuelle Lösungen mit Mehrwert. Die Nutzendarstellung mit einer gehirngerechten Merkmal-Vorteil-Nutzenargumentation ist daher enorm wichtig und lässt Wege abseits der Preisargumentation entstehen. Der Wert eines Produktes ist der Maßstab dafür, ob die Verhandlungspartner und mit der Leistung bzw. der Lösung zufrieden sind. Und zum Wert gehört mehr als nur der Preis.
Ich kann aus meiner eigenen Erfahrung und den zahlreichen Feedbacks in Workshops nur immer wieder empfehlen: Bereiten Sie sich gut auf die Verhandlung vor, bringen Sie Ihre Standpunkte wertschätzend und klar vor, haben Sie einen Menge Alternativen im Köcher, welche Gegenleistung für eine Leistung von Ihnen gefordert werden kann. Und machen Sie auch einfach mal eine Verhandlungspause, wenn gerade nichts mehr weitergeht. Entweder eine Stunde oder auch ein paar Tage – das kann sehr zielführend sein.