Neue Vertriebsformen I: Remote Selling
In den kommenden Beiträgen erhalten Sie Infos, Herangehensweisen und Erfolgsfaktoren für die neuen Vertriebsformen, die vor oder mit der Pandemie entstanden oder durch diese deutlich beschleunigt wurden. Heute geht’s im ersten Teil um das Remote Selling:
Remote Selling
Die Veränderung, die mit der Digitalisierung einhergeht, lässt vertrieblich gesehen keinen Stein auf dem anderen, die Vertriebsstrategien von gestern funktionieren einfach nicht mehr. Daher müssen Unternehmen ihren Vertrieb laufend an die jeweils vom Markt geforderten Möglichkeiten sowie die technisch möglichen Gegebenheiten anpassen, wenn sie zukunftsfähig bleiben wollen. Das setzt natürlich auch Mitarbeiter voraus, die an einer fachlichen wie technischen Weiterentwicklung interessiert sind, wenn neue Formen des Vertriebs wie virtueller Verkauf, Remote Selling oder Social Selling erscheinen. Und auch im Führungsumfeld braucht es flexible Anpassung und Weitblick, damit die strategische Entwicklung im Unternehmen Schritt mit der Entwicklung „da draußen“ hält. Und eine Differenzierung zwischen tatsächlich bleibenden Neuerungen und der sprichwörtlichen Sau, die in Form von schnell wieder verschwindenden Trends jeden Tag neu durchs Dorf getrieben wird, macht die Sache zusätzlich nicht einfacher.
Das „alte Normal“ wird nicht wiederkehren
Schon seit einigen Jahren findet im Vertrieb eine schleichende Veränderung durch die voranschreitende Digitalisierung statt. Dieser langsame, oft kaum spürbare Prozess hat es den Vertrieblern ermöglicht, sich in Ruhe auf die Änderungen einstellen oder reagieren zu können. Wenn man allerdings einen direkten Vergleich zwischen dem Vertrieb von vor beispielsweise fünfzehn Jahren zieht, wird die Veränderung sofort und deutlich sichtbar.
Und dann kam Corona, der als Veränderungs-Beschleuniger die gesetzten Rahmenbedingungen fast von einem Tag auf den anderen komplett über den Haufen geworfen hat. Es war plötzlich gar nicht mehr so einfach, seine Kunden zu erreichen, seinen Sales Funnel mit guten Leads und Angeboten gefüllt zu halten oder gar überhaupt einen Termin beim Kunden zu bekommen. Neue Wege waren erforderlich und wer diese als einer der ersten beschritten hat, konnte das als echten Wettbewerbsvorteil verbuchen. Andere Anspracheformen und -wege waren genauso wichtig wie eine verlässliche digitale Kommunikationsplattform oder eine angepasste Vertriebs- oder Kundenstrategie.
Und wer jetzt nach über einem Jahr Pandemie immer noch behauptet, dass es sich bei all den damit einhergehenden Neuerungen eine vorübergehende Veränderung handelt, der unterliegt einem großen Irrglauben. Unternehmen haben im vergangenen Jahr (oft auch schmerzhaft) erkannt, dass sich durch die Krise auch große neue Vorteile ergeben und werden ihre Strategien entsprechend nachhaltig darauf ausrichten – worauf der Vertrieb nun reagieren muss.
Dazu kreisen nun neue Begriffe wie Remote Selling, Virtueller Vertrieb und Social Selling im Raum, die für viele nach der oben genannten „durchs Dorf getriebenen Trend-Sau“ klingen. Aber dahinter verbergen sich tatsächlich innovative Konzepte, die insbesondere auch für Führungskräfte die Frage aufwerfen, wie sie ihre Mannschaft so dafür begeistern können, dass die Kollegen die Möglichkeiten nutzen, die Vorteile sehen und motiviert ans Werk gehen. Dazu möchte ich in dieser kleinen Reihe die einzelnen Begriffe gern näher erklären:
Remote Selling: Was versteht man darunter?
Das englische Wort „remote“ bedeutet so viel wie „fern“ beziehungsweise „ferngesteuert“. Demnach bedeutet „Remote Selling“ den Kunden aus der Distanz zu bedienen und nicht bei ihm vor Ort sein zu können oder müssen. Remote Selling bietet die Chance, bestehende Kundenkontakte in Form von Telefonaten, virtuellen Meetings und Videokonferenzen weiterhin zu pflegen. Letztlich ist Remote Selling eine bereits lange etablierte Verkaufsform, deren Möglichkeiten jedoch seit Corona neue Wertschätzung erhalten. Die asynchrone, digitale Variante der Kommunikation via E-Mail, Social Media Nachrichten, Schriftverkehr etc., hat zu Covid-Zeiten merklich zugenommen.
Die Folge daraus ist eine höhere zeitliche Flexibilität, denn jeder der Gesprächspartner entscheidet selbst, wann er die Nachricht liest und beantwortet. Diese Art der mittelbaren Kommunikation ist wesentlich langwieriger und unverbindlicher als die direkte, unmittelbare synchrone Kommunikation. Denn diese braucht es, um beispielsweise Fragen oder Bedenken eines Kunden ausräumen zu können. Meist werden diese synchronen Gespräche als Webmeetings mit entsprechenden Videokonferenz-Tools wie beispielsweise Skype oder Zoom und Webcams durchgeführt. So können sich beide Geschäftspartner in die Augen schauen, merklich schneller mögliche Hindernisse ausräumen und zu einem erfolgreichen Abschluss kommen.
Für viele Mitarbeiter war die vergangenen Monate eine „learning-by-doing“-Erfahrung. Sie hatten dabei kaum Zeit, sich wirklich auf die veränderten Gegebenheiten vorzubereiten. Und die Nekundenakquise ist damit auch nicht einfacher geworden – im Gegenteil. Die ersten Termine in einer neuen Kundenbeziehung, die einem Kennenlernen und Abklopfen der Möglichkeiten einer Zusammenarbeit dienten, verschwanden während der Pandemie fast völlig. Aber auch hier kann die synchrone Kommunikation via Webkontakt oder telefonische Ansprache eine gute, wenn auch nicht ganz vergleichbare Alternative bieten.
Erfolgsfaktoren für ein professionelles Remote Selling Meeting
Um ein Remote Selling Meeting professionell und erfolgreich zu gestalten, gibt es einige wichtige Punkte, die Sie vor, während und nach einem Meeting beachten sollten. Dazu gehören unter anderem:
- Schicken Sie bereits ein paar Tage vor dem Meeting eine Einladung und genaue Anweisungen zum technischen Umgang mit dem genutzten Konferenztool an die Teilnehmer.
- Führen Sie einen Vorabtest der Technik durch: Verbindung, Mikrofon, Kamera, Kopfhörer. Und denken Sie an ein mögliches Backup-Szenario mit Zweitrechner o.ä. Auch der Einsatz eines Tech-Hosts, der sich im Meeting nur um die technischen Belage, Chat und Bereitstellen der Unterlagen, Timekeeping etc. kümmert, kann sehr hilfreich sein
- Seien Sie 15 Minuten vor Konferenz-Beginn im Meeting, damit Sie alle Teilnehmer begrüßen können und Zeit für einen gemütlichen Small-Talk haben.
- Planen Sie Zeit für einen informellen Austausch ein. „Komm zum Punkt“ ist kurzfristig zwar effizient, langfristig aber nicht effektiv, weil damit keine Beziehungsebene hergestellt wird. Daher ist es wichtig, auch online eine Beziehungsphase einzuplanen.
- Lockerer Umgang mit der Webcam – bitten Sie alle Teilnehmer, gerade zu Beginn des Meetings ihre Kamera einzuschalten, um eine Vorstellungsrunde auch persönlich werden lassen zu können.
- Beim Meeting ist der Verzögerungseffekt zu beachten, daher ist wertschätzendes Zuhören und Antworten wichtig. Warten Sie mindestens eine Sekunde mit Ihrer Antwort, damit Sie einander nicht ins Wort fallen.
- Da viele Gesprächsteilnehmer in Webmeetings erfahrungsgemäß deutlich schweigsamer werden, ist eine aktive Ansprache, Moderation und Zustimmung wichtig. Sprechen Sie die Teilnehmer aktiv du mit Namen an, streuen Sie wertschätzende Bestätigungen, wie z.B. „Das ist ein interessanter Punkt!“ ein und fordern Sie zur aktiven Gesprächsbeteiligung durch interaktive Diskussionsblöcke oder Kleingruppenarbeiten auf.
- Offenbaren Sie sich öfter, als Sie es in einem persönlichen Meeting machen würden. Nichts ist für Menschen so beunruhigend, wie das Problem, unseren Gegenüber menschlich nicht einordnen zu können. Eine lebhafte Mimik und Gestik oder die Thematisierung unserer Wahrnehmungen und Gefühle sind hier hilfreich. Natürlich dürfen wir auch einen emotionalen und rationalen Zustandsbericht unseres virtuellen Gegenübers einfordern.
- Bieten Sie die Möglichkeit eine Aufzeichnung des Meetings an, um auch anderen Kollegen einen Einblick zu ermöglichen oder eine Dokumentation bzw. ein „Nachschlagewerk“ für später zu haben. Erklären Sie den Teilnehmern bitte auch, wie sie eine Aufzeichnung abrufen können.
- Stellen sie sicher, dass alle Teilnehmer nach dem Meeting eine kurze Zusammenfassung mit den vereinbarten nächsten Schritten erhalten.
Für die Zukunft bietet Remote Selling große Potenziale, um die Vertriebsarbeit effizienter, und damit produktiver auszurichten. Natürlich lassen sich damit auch die Vertriebskosten senken. So können die meisten Kunden künftig hybrid, also in einer Kombination aus virtuellen Meetings und persönlichen Besuchen vor Ort betreut werden. Kleinere Accounts können zukünftig komplett virtuell begleitet werden. Das spart wertvolle Arbeitszeit durch weniger Fahrzeiten, reduziert die Reisekosten und erhöht die Kontaktfrequenz deutlich. Sprechen Sie die Möglichkeiten mit Ihren Kunden aktiv an und holen Sie sich ein Feedback, wie es Ihr Kunde am liebsten wünscht.
Eine sogenannte digitale Nähe entsteht durch das bewusste Abweichen von der gerade neu entstandenen Web-Etikette und erfordert vom Verkäufer ein wenig Zivilcourage. Dieser Mut, einfach mal zu machen und gerade im Web seine menschliche Seite zu zeigen, wird erfahrungsgemäß im Verkauf belohnt. Schließlich kaufen wir nur das, was wir begreifen können – und auch nur von Menschen, die wir einschätzen können und denen wir aufgrund dessen vertrauen.