Kunden honorieren Ehrlichkeit

Kunden honorieren Ehrlichkeit und Interesse

Viele Dienstleister – wie Banken, Versicherer, Handels- und Beratungsunternehmen – wissen nicht, was ihre Kunden wirklich wollen. Deshalb überschütten sie diese häufig mit „Kundenbindungsinstrumenten“. Und übersehen dabei, dass dies ihre Kunden zuweilen eher verärgert als erfreut.

Vor nicht allzu langer Zeit habe ich meine Versicherung gewechselt und der dortige Kundenberater versprach: „In einer Woche ist die Bestätigung in Ihrem Briefkasten“. Doch ich schaute vergebens nach. Deshalb rief ich nach zwei Wochen den Angestellten an. Der versprach mir: „Übermorgen haben Sie die Bestätigung.“

Zwei Tage später fand ich dann tatsächlich Post in seinem Briefkasten. Es war aber nicht die gewünschte Bestätigung, sondern das Kundenmagazin der Versicherung. Habe ich mich gefreut – Nein, vielmehr rief ich erneut bei der Versicherung an, sie solle mir endlich die gewünschte Bestätigung schicken, statt meinen Briefkasten mit „Werbematerial“ zu verstopfen.

Gefühl: „Die nehmen mich nicht ernst“

Ähnlich reagieren Kunden oft, wenn sie unaufgefordert mit sogenannten „Kundenbindungsinstrumenten“ beglückt werden – zumindest dann, wenn sie mit dem „Kernprodukt“ des Unternehmens unzufrieden sind. Dann denken sie: Die sollten mir lieber eine ordentliche Leistung bieten statt ihr Geld mit solchem Nonsens zu verschwenden.

Diesen Zusammenhang bedenken viele Unternehmen nicht. Sie überschütten ihre Kunden heute vielfach mit Kundenbindungsinstrumenten wie Kundenmagazinen, Infolettern und Bonus-Cards, wie sie es früher mit Prospekten taten. Und überrascht stellen sie nach einiger Zeit zuweilen fest, dass diese „Serviceleistungen“ bei den Kunden mehr Verärgerung als Freude erzeugen. Der Grund: Die Unternehmen setzen besagte Instrumente oft ein, um mit ihren Kunden den Kontakt zu halten und diese an sich zu binden, ohne vorab deren Bedürfnisse eruiert zu haben. Das erzeugt bei Kunden das Gefühl: „Die nehmen mich und meine Bedürfnisse nicht ernst.“

Was haben Unternehmen stattdessen gemacht:  viele schlossen in den zurückliegenden Jahren (Service-)Niederlassungen. Außerdem reduzierten sie die Zahl ihrer Servicemitarbeiter. Stattdessen richteten sie telefonische und elektronische Hotlines und Chatbots ein. Oder sie ersetzten wie die Banken Menschen durch Automaten. Dadurch gingen persönliche Kontaktpunkte verloren, woraus für viele Unternehmen die Frage erwächst: Wo hat der Kunde denn jetzt persönliche Anlaufpunkte, um den vom Marketing proklamierten Service auch zu erfahren?

Bei „Altkunden“ erweckt ein Reduzieren der Kontaktpunkte vielfach den Eindruck: Die interessieren sich nicht mehr für mich. Sie machen de Erfahrung: „Wenn ich früher ein Problem hatte, konnte ich mich an eine Serviceniederlassung wenden, wo ich einen persönlichen Ansprechpartner hatte. Heute hingegen kann ich nur noch mit einem anonymen Callcenter telefonieren.“ Besser betreut fühlen die Kunden sich hierdurch nicht, weshalb sie auch schneller zu einem Anbieterwechsel bereit sind. Damit lässt natürlich die Kundenbindung deutlich nach.

Beziehung erwächst aus persönlichem Kontakt

Generell gilt: Standardisierte Kontaktmaßnahmen wie Massenmailings können den persönlichen Kontakt nicht ersetzen. „Make yourself available“, lautet die oberste Maxime bei der Kundenbindung. Das heißt: Die Kunden müssen einen persönlichen Ansprechpartner haben. Und dieser muss sich zeigen. So nützt zum Beispiel die beste Kundenveranstaltung nichts, wenn nicht die Berater vor Ort sind, die zum Kunden bereits eine persönliche Beziehung aufgebaut haben. „Make yourself available“ bedeutet erreichbar sein, die Augen und Ohren offen halten und sehen, was den Kunden gerade umtreibt und an welcher Stellen ihm das Unternehmen beziehungsweise sein „Repräsentant“ einen Mehrwert liefern kann. Das kann auch mal ein privater Restauranttipp sein oder die Empfehlung einer guten Veranstaltung.

Viele Unternehmen fahren seit Jahren eine Kostenführerstrategie, um den Kunden finanziell Top-Konditionen zu bieten. Entsprechend ausgedünnt ist ihr Netz an Servicestellen sowie ihre Personaldecke in den kundennahen Bereichen. Deshalb lautet eine Kernfrage für sie: Wie können wir dafür sorgen, dass wir genügend Mitarbeiter für die Kontakt- und Beziehungspflege haben, ohne dass uns die Kosten aus dem Ruder laufen? Diesen Spagat gilt es zu meistern, wenn Kunden emotional an das Unternehmen gebunden werden sollen.

Dialogmarketingexperten raten zur Lösung dieses Dilemmas oft: „Schicken Sie Ihren Kunden regelmäßig einen Newsletter oder bieten Sie die Möglichkeit, Ihrem Unternehmen auf Social Media zu folgen. Über diese Medien lassen sich direkte Response-Elemente, Likes, Gewinnspiele, Bestellcoupons oder Einladungen einbauen. Durch Leserbriefe, eine Kunden-Börse, Kundenportraits, Produkttests, Influencer-Statements oder Artikelserien werden zudem regelmäßig Kontakt- und Dialoganlässe geschaffen. Dieser Auflistung muss entgegengehalten werden: Alle genannten Dialogmöglichkeiten sind ziemlich unpersönlich. Sie gleichen nicht den Mangel an persönlicher Betreuung und Beratung aus.

Erst der Mensch – dann das Produkt

Denn für alle Kunden gilt: Sie sind zuerst mal Menschen. Das heißt, sie wollen als Person wahr- und ernst genommen werden. Theodore Roosevelt sagte einmal: „People don’t care how much you know until they know how much you care.“ Dieses Zitat drückt aus, welche Einstellung ein Unternehmen, aber auch ein Verkäufer braucht, um ein gutes Beziehungsmanagement zu betreiben. Erst der Mensch, dann das Thema. Denn Kunden haben ein feines Gespür dafür, ob Unternehmen oder Verkäufer ein echtes Interesse für sie haben oder nur Interesse heucheln, um einen Abschluss zu erzielen.

Nichts bindet Kunden stärker als persönlicher Kontakt und das Gefühl „Ich werde mit meinen Bedürfnissen wahr- und ernstgenommen.“ Oder anders formuliert: Kunden honorieren Ehrlichkeit. Sie spüren genau, welches Unternehmen bemüht sich ernsthaft, mir einen Nutzen zu bieten und seine Versprechen einzuhalten, und welches versucht, mich mit Kundenmagazinen und Bonuskarten abzuspeisen.

Überlegen Sie deshalb als Vertriebsverantwortlicher: Welche Kundenbindungsinstrumente sind für unsere Kunden glaubhaft? Ein Beispiel: Schickt der Serviceleiter eines Autohändlers, bei dem ein Kunde seit Jahren sein Auto warten lässt, diesem zum Geburtstag eine Glückwunschkarte, dann ist dies glaubhaft. Und der Kunde freut sich eventuell sogar darüber – wenn er im persönlichen Kontakt mit dem Serviceleiter die Erfahrung sammelte: Das ist ein netter Kerl, der sich immer bemüht, mir …

Verschickt hingegen die Konzernzentrale des Autoherstellers solche Karten, ist dies unglaubwürdig. Dann denken viele Empfänger: Spinnen die? Halten die mich für so vereinsamt, dass ich mich freue, wenn sie mir ein von einem Schreibautomaten unterschriebenes Kärtchen senden? Denn hier besteht keine Beziehung von Mensch zu Mensch.

Kunden sind Menschen und keine „Cashcows“

Deshalb erneut der Hinweis: Kunden honorieren Ehrlichkeit. Sie spüren genau, ob ein Unternehmen Interesse heuchelt oder sich ernsthaft für sie interessiert. Und nur zu Letzteren entwickeln sie Vertrauen. Um dieses Vertrauen aufzubauen, benötigen Unternehmen keine komplexen Kundenbindungssysteme. Viel effektiver ist es, sich schlicht zu fragen: Was wollen unsere Kunden wirklich?

Ein Beispiel. Die Kundenbetreuer eines Münchner Modehauses rufen regelmäßig, wenn neue Ware eintrifft, bei den Stammkunden an, deren Geschmack sie jeweils kennen. Als Aufhänger kommt dann zum Beispiel: „Herr xy, bei mir ist eine Lederjacke eingetroffen, die Ihnen gefallen könnte. Soll ich sie Ihnen zurücklegen?“ Dass der Kundenbetreuer damit auch eine Verkaufsabsicht verbindet, stört die Kunden nicht. Sie haben vielmehr das Gefühl „Ich werde als Person wahrgenommen“ und „Da macht sich jemand Gedanken, wie er mir einen Nutzen bieten kann“.

Ähnlich könnten auch andere Unternehmen verfahren. Hierfür müssten sie aber ein echtes Interesse am Kunden als Person haben. Er darf nicht nur als „Cashcow“ gesehen werden. Und genau hier liegt das Problem. Viele Unternehmen sammeln über ihre Kunden zwar viele Daten, aber kaum Informationen. Deshalb ist und bleibt der Kunde für sie eine anonyme Nummer. Das spürt der Kunde. Also baut er zu ihnen keine Beziehung auf.

Und genau da liegt in der heutigen schnelllebigen Zeit der Hund begraben: die ständige Optimierung führt vielleicht vordergründig zu einer schnellen Kosteneinsparung, mittel- und langfristig aber zu einer illoyalen und nur mäßig zufriedenen Kundebasis, die bei jedem attraktiveren Angebot des Mitbewerbs wieder verschwunden ist. Und darauf kann man nur schwer ein verlässliches Geschäft aufbauen… Also sollten wir uns wieder mal Zeit nehmen, was übrigens auch in der Führung wichtig ist – vgl. hierzu https://convendi.de/fuehrung-in-ruhe-und-kontinuitaet/ .

Ich wünsche daher ein gutes und ruhiges Händchen bei der Auswahl und Bewirtschaftung der Kundenbindungsinstrumente.

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