Entscheidungen überschlafen oder nicht

Entscheidungen überschlafen oder nicht?

Schlaf erst einmal eine Nacht drüber! – Jeder kennt diesen schlauen Rat. Aber er hat auch eine negative Kehrseite, denn damit macht er unpopuläre Entscheidungen nahezu unmöglich. Logisch treffen wir im Affekt oder unter Druck schon einmal Entscheidungen, die wir später bitter bereuen. Also wäre es doch sinnvoll, einfach ein wenig abzuwarten und in einem ruhigeren Moment ausgewogener entscheiden?

Menschen, die die preußische Nacht (ein Begriff aus der Armee, nach der man sich erst nach Ablauf einer militärischen Nacht über das Verhalten von Vorgesetzten beschweren kann) schätzen, sollten ab hier vielleicht nicht mehr weiterlesen.

Es stellt sich tatsächlich die Frage, ob die Idee des Überschlafens wirklich so gut ist. Denn offensichtlich hat die Evolution Menschen bevorzugt, die ihre Entscheidungen emotional (und damit meist auch schnell) treffen. Andernfalls müssten wir hier nicht darüber nachdenken, denn Affekt-Entscheider wären da schon lange ausgestorben. Also formulieren wir die Frage einfach anders:

Welchen Vorteil könnten wir aus Affekt-Entscheidungen haben?

„Wenn’s hart auf hart geht oder im Kampf kannst Du nicht lange fackeln“, meinte einer meiner Bekannten. Damit hat er sicher recht, aber es geht hier um Entscheidungen NACH dem Kampf. Also beispielsweise, wenn wir realisiert haben, dass einer unserer Mitstreiter ein Feigling ist oder sich illoyal verhält oder einfach eine hohle Nuss ist. Übertragen auf den Betriebsalltag: wenn der Kunde den lukrativen Auftrag storniert hat und klar ist, wo intern der Schuldige sitzt.

Im Affekt fühlt sich der Entscheider meist deutlich weniger gehemmt als am nächsten Tag oder gar eine Woche später, denn unsere Emotionen schützen sich selbst – man bezeichnet dies als Refraktärphase. Daher verarbeitet der Entscheider in diesen Momenten lediglich die Informationen, durch die sein Gefühl bestätigt wird. Parallel dazu kommen entschuldigende Faktoren wie Stress oder eine belastende Kindheit als Entscheidungskriterien nicht in Frage.

Sobald das erste, intensive Gefühl abgeflaut ist, können wir zahlreiche weitere Faktoren ins Spiel bringen. Dadurch fällt uns die Entscheidung schwerer, denn das Bild erscheint nicht mehr so klar. „Der Horst hat den Fehler bestimmt nicht mit Absicht gemacht. Er ist doch sonst immer ein anständiger Mensch. Vielleicht hat er sich mit der Aufgabe übernommen? Und daneben muss er ja auch noch eine große Familie unterhalten …“. Wer Horst jetzt noch auf die Straße setzt, ist ein Unmensch.

Zivilisiert oder kriegerisch entscheiden?

Passiert das Gleiche dagegen mit der Wut des Gerechten im Bauch, erscheint der Entscheider als ein Mensch mit all seinen Fehlern. Mit anderen Worten, eine Affekt-Entscheidung genießt eine höhere Akzeptanz im Umfeld als die gleiche Entscheidung ohne Affekt. Jetzt könnte man die logische Schlussfolgerung ziehen: „Wenn das ein evolutionärer Erfolgsfaktor zu sein scheint, warum sollten wir dann nicht grundsätzlich im Affekt entscheiden?“ Aber diese Frage muss sich natürlich jeder selbst beantworten. Ich habe meine dazu gefunden: Weil unsere Zivilisation genau das ist: zivil. Wir kämpfen nicht mehr ums Überleben. Sondern wir kämpfen um eine lebenswerte menschliche Gesellschaft, was gerade jetzt zum Ende der Pandemie stark in den Fokus rücken sollte…

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