Banksy in München – Ohne ihn, aber mit allem
Er ist der wohl berühmteste Unbekannte der Kunstwelt: Banksy, der Street-Art-Rebell mit Hang zur Subversion, wird jetzt in München gefeiert – in einer Ausstellung, die er selbst nie autorisiert hat. „The House of Banksy – An Unauthorized Exhibition“ zeigt über 200 Werke, Reproduktionen und Installationen des legendären Künstlers – und das mitten in einem ehemaligen Kaufhaus. Was wie ein Widerspruch klingt, funktioniert erstaunlich gut: Die Schau ist provokant, politisch und poppig. Und sie wirft genau die Fragen auf, die Banksy selbst so liebt. Darf man das – und was bleibt, wenn der Künstler fehlt? Ein Rundgang zwischen Kunst, Kommerz und Kontroverse.
Kommerz kontra Künstler
Banksy ist nicht nur für seine provokanten Werke bekannt, sondern auch für seine kritische Haltung gegenüber der Kommerzialisierung von Kunst. Der anonyme Street-Art-Künstler hat mehrfach betont, dass seine Kunst für alle zugänglich sein sollte und nicht dem Kunstmarkt zum Opfer fallen darf. Ein Beispiel hierfür ist seine Aktion während einer Auktion im Jahr 2018, bei der das Werk „Girl with Balloon“ unmittelbar nach dem Zuschlag durch einen im Rahmen versteckten Schredder teilweise zerstört wurde. Banksy erklärte dies als Kritik am Kunstmarkt und nannte das Werk in „Love is in the Bin“ um.
Darüber hinaus erschwert Banksy bewusst die Kommerzialisierung seiner Werke. Laut dem Kunsthistoriker Ulrich Blanché von der Universität Heidelberg macht es der Künstler „immer schwerer, seine Werke von ihrem Entstehungsort zu entfernen“ und „erschwert es den Leuten, Geld daraus zu machen“. So seien die Werke des Künstlers in den vergangenen Jahren zunehmend dreidimensional geworden und würden andere Objekte einbeziehen.
Diese Haltung steht im Kontrast zu Ausstellungen wie „The House of Banksy – An Unauthorized Exhibition“ in München, die ohne seine Zustimmung organisiert werden. Solche Veranstaltungen werfen Fragen zur Authentizität und zur Kommerzialisierung von Street-Art auf. Sie zeigen, wie schwierig es ist, Banksys Kunst in einem kommerziellen Kontext zu präsentieren, ohne seine Prinzipien zu verletzen.
Der Geist ohne Gesicht
Es ist ein seltsames Gefühl, durch eine Ausstellung zu gehen, deren Hauptfigur offiziell gar nichts damit zu tun haben will. Banksy – das Phantom der Street-Art – ist berühmt für seine Anti-Haltung gegenüber Kommerz, Galerien und Kunstbetrieb. Und doch hat sich im Münchner Untergeschoss des ehemaligen Kaufhofs am Stachus (heute „B-TWEEN“) eine Welt ausgebreitet, die sich ganz um ihn dreht. Über 200 Werke, Installationen und Reproduktionen seiner ikonischen Motive sind hier zu sehen – von der „Girl with Balloon“-Silhouette bis zur Banksy-Version des Parlaments voller Affen.
Aber was bedeutet eigentlich „unauthorized“? Genau das, was es sagt: Banksy hat mit der Ausstellung nichts zu tun. Er duldet sie, unterstützt sie aber nicht. Und trotzdem stehen die Leute Schlange. Die einen, weil sie ihn lieben. Die anderen, weil sie neugierig sind. Und dann gibt es noch jene, die einfach wissen wollen: „Wer ist dieser Banksy eigentlich?“ Eine Frage, die man sich in München jetzt auf fast 1.500 Quadratmetern Ausstellungsfläche stellen kann – allerdings ohne eine klare Antwort zu bekommen. Denn das bleibt sein Markenzeichen: Er ist überall – und zugleich nirgends.
Ein Museum für das, was längst verschwunden ist
Viele Werke in der Ausstellung sind Reproduktionen – und das ist keine Schande. Ganz im Gegenteil: Es ist sogar ein notwendiger Trick. Denn Street-Art, so wie Banksy sie versteht, ist per Definition vergänglich. Sie wird überpinselt, zerkratzt, abmontiert oder einfach von der Wand gehämmert und für Millionen verkauft. Was hier in München zu sehen ist, ist eine Art Zeitreise zu Werken, die man im Original nie zu Gesicht bekommen würde.
Die Ausstellung nimmt Besucher mit auf eine Art Rundgang durch Banksys Werkphasen. Da hängen frühe, noch schlichte Motive neben komplexeren Stencils, es gibt Fotografien von Wänden in Bristol, Paris oder Gaza – alles in beeindruckender Detailtreue nachgebildet. Ein besonderes Highlight ist die Nachstellung eines Teils der „Walled Off Hotel“-Installation in Bethlehem. Hier schlägt der Künstler eine Brücke zwischen Kunst und politischer Realität – und genau diese Verbindung macht seine Arbeit so kraftvoll. Selbst als Replik verliert sie kaum an Wirkung.
Was auffällt: Die Ausstellung ist nicht kühl und museal, sondern eher wie ein Pop-up-Kunstparcours gestaltet. Viele Bilder sind bewusst roh präsentiert, mit sichtbaren Mauerstrukturen und urbaner Patina. Man hat das Gefühl, Banksy könnte jeden Moment selbst durch die Räume schleichen und ein weiteres Werk anbringen – heimlich, nachts, ohne Einladung.
Wenn Subversion im Ticketpreis steckt
Es liegt eine gewisse Ironie in der Luft. Banksy, der ewige Kritiker von Gentrifizierung und kapitalistischer Vereinnahmung, wird in München in einer alten Kaufhaus-Ruine ausgestellt – für rund 20 Euro Eintritt pro Person. Und ja, natürlich hat das einen Beigeschmack. Wie authentisch kann eine Ausstellung sein, die ein System füttert, das der Künstler selbst so regelmäßig attackiert?
Die Veranstalter umgehen diese Spannung, indem sie gar nicht erst behaupten, Teil von Banksys echtem Universum zu sein. Der Begriff „unauthorized“ ist fast schon ein Verkaufsargument. Und doch bemüht sich die Ausstellung redlich, dem Geist seiner Kunst gerecht zu werden. Sie ist keine reine Kommerzveranstaltung – auch weil sie Kooperationen mit sozialen Projekten eingeht. So etwa mit dem Refugio München, das Werke von jungen Geflüchteten zeigt, die sich durch Banksys Stil und Themen haben inspirieren lassen. Diese Bilder kann man gegen eine Spende erwerben – ein schöner Kontrapunkt zur sonst so hochpreisigen Banksy-Welt.
Trotzdem bleibt ein Zwiespalt. Manche Besucher verlassen die Ausstellung mit leuchtenden Augen, andere mit skeptischem Stirnrunzeln. Vielleicht ist genau das im Sinne von Banksy: Er will, dass man nachdenkt. Auch – oder gerade – über den Rahmen, in dem seine Kunst heute stattfindet.
Kunst zum Eintauchen und Erleben
Die Ausstellung will nicht nur zeigen, sondern erlebbar machen. Und das gelingt ihr auf durchaus beeindruckende Weise. Neben den großformatigen Wandbildern gibt es multimediale Installationen, Projektionen und sogar einen begehbaren Nachbau eines Londoner U-Bahn-Waggons – jenen, den Banksy während der Pandemie mit Masken tragenden Ratten besprühte. Man tritt ein, hört das Quietschen der Schienen, sieht Graffiti an den Wänden und spürt: Banksy ist nicht einfach ein Künstler, er ist ein Erzähler. Und diese Räume erzählen Geschichten.
Auch Kinder scheinen Spaß zu haben, was bei politisch geladener Kunst eher selten ist. Sie hüpfen von Werk zu Werk, entdecken Details, lachen über die Spray-Ratten oder fragen ihre Eltern, warum da ein Soldat mit einem Blumenstrauß auf einem Panzer steht. Die Ausstellung funktioniert auf mehreren Ebenen – visuell, emotional, intellektuell.
Wer Banksy bereits kennt, wird viele seiner berühmten Motive wiederfinden – von der „Flower Thrower“-Pose bis zur „Napalm“-Satire mit Mickey Mouse und Ronald McDonald. Wer ihn noch nicht kennt, wird nach dieser Ausstellung zumindest verstehen, warum sein Werk so viele bewegt. Und warum es sich lohnt, sich mit den Geschichten hinter der Spraydose auseinanderzusetzen.
Banksy sehen ohne Banksy – lohnt sich das?
Ja. Wenn man die Erwartungen richtig setzt. Diese Ausstellung ist keine heilige Pilgerreise zum Ursprung der Street-Art. Sie ist ein multimedialer Remix, eine Hommage und vielleicht auch ein bisschen ein Kunstzirkus. Aber einer, der Spaß macht, der zum Nachdenken anregt – und der Banksys radikale Ideen auf eine Bühne bringt, die zugänglich ist für viele.
Vielleicht würde Banksy die ganze Sache an die Wand malen – mit einem ironischen Kommentar darunter. Vielleicht würde er es aber auch einfach nur beobachten. In München kann man beides erleben: die Kunst und die Fragezeichen dahinter.