Dienst nach Vorschrift im Außendienst?
Vor einigen Jahren verschickte ein gewisser Reinhold Würth, Inhaber des gleichnamigen Schraubenimperiums, einen sogenannten „Brandbrief“ an seine Außendienstmitarbeiter und es entstanden interessante Diskussionen über die Art und Weise im Umgang mit Außendienstlern. In diesem Brief waren Worte zu lesen, wie etwa: „die Geduld der Zentrale solle nicht überfordert werden“ oder „ein großer Teil des Außendienstes nutze seine Arbeitszeit nur zu 60%“. Es war eindeutig Frust über das schwache Umsatzwachstum in den Zeilen zu erkennen. Eine so direkte Ansprache der Verkäufer im Unternehmen ist heute schon so selten, dass ein solcher Weckruf auch außerhalb des betroffenen Unternehmens hohe Wellen schlägt.
Daneben gibt es natürlich auch eine Verantwortung der Führungskräfte im Unternehmen, denn schließlich haben auch ihre Führungsschwächen dazu geführt, dass das Berufsverständnis der Verkäufer im Außendienst mittlerweile häufig ziemlich verschoben ist. Daran hat auch Corona wenig geändert, im Gegenteil, es lässt sich vieles auf die aktuelle Situation schieben.
Warum Dienst nach Vorschrift?
In zahlreichen Unternehmen ist die allgemeine Arbeits(un)zufriedenheit ein großes Problem. Jährlich wiederkehrende Studien belegen es immer wieder: nur ein Drittel der deutschen Arbeitnehmer ist engagiert bei der Sache. Man kann die Schuld natürlich einfach auf die Arbeitnehmer schieben, oder man macht sich bewusst, dass in vielen Unternehmen tatsächlich eine Führungsschwäche existiert.
Gerade in Außendienstorganisationen existiert seit jeher ein ausgeprägtes Hire-and-Fire-Prinzip. Wer seine Zahlen nicht abliefert, fliegt raus. Häufige Fluktuation der Außendienstler und häufiger Wechsel der Führungskräfte tragen daneben nicht gerade zu mehr Identifizierung mit dem Unternehmen bei. Frust und Druck von allen Seiten führt nicht selten dazu, dass nur noch „Dienst nach Vorschrift“ abgeliefert wird. „Warum soll ich mich anstrengen?“, „Was habe ich denn davon?“ lauten dann die Aussagen der Außendienstler. Hauptsächlich gibt es zwei Gründe, nur noch Dienst nach Vorschrift abzuliefern:
- keine klaren Vorgaben
- fehlender (eigener oder fremder) Antrieb
Hört sich einfach an – und das ist es auch, wenn man es richtig macht. Denn sowohl auf der Seite der Führungskräfte als auch auf der Außendienstseite ist der Schlüssel zum Erfolg das jeweilige Rollenverständnis.
Klare Vorgaben führen zum Ziel
Wer nicht weiß wohin er segeln will, kann seine Segel auch nicht gezielt setzen. Nach diesem Prinzip wird leider häufig auch in Außendienstorganisationen verfahren. Dabei sind Außendienstler bereit einiges zu tun, wenn sie wissen, wo die Reise hingehen und vor allem wie sie verlaufen soll. „Das ist ja einfach …“ könnte man jetzt einwenden, „… also einfach ein Umsatzziel vorgeben und schon laufen die Verkäufer wie von selbst zu Höchstleistungen auf.“ Das wäre in etwa so, als wenn man einem Kochlehrling sagt, er solle einfach besser kochen und dann schmeckt es plötzlich. Jeder Meister würde seinem Lehrling genau zeigen, WIE es geht und nicht einfach nur sagen, was am Ende herauskommen soll.
Dem Außendienstler also einfach nur zu sagen er solle mehr Umsatz erreichen, bringt ihn nicht wirklich weiter. Klare Vorgaben was zu tun ist, um ein solches Ziel zu erreichen, sind da besser. Was könnte das sein? Das könnten konkrete Zielvorgaben sein, die zusammengenommen einen höheren Umsatz zur Folge haben. Zum Beispiel die Erhöhung der Neukundenbesuche um Anzahl x pro Tag, dazu die Erhöhung der Verkaufseinheiten pro Kunde, die Verkürzung der Fahrzeiten durch bessere Tourenplanung, Potenzialanalyse der Kunden, mehr Produktpräsentationen pro Kunde und vieles mehr.
Je konkreter die Zielvorgaben, also je mehr auch Ziele in Teilbereichen vorgegeben werden, desto verbindlicher kann ein Außendienstler auch an deren Erreichung arbeiten – und auch motivierter. Außerdem gibt es dem Verkäufer eine gewisse Sicherheit, wenn er weiß, dass es nicht nur die eine Stellschraube für seinen Erfolg gibt, denn damit hat er das Gefühl, seinen Umsatz tatsächlich beeinflussen zu können.
Der starke Antrieb: das richtige Rollenverständnis
Die richtige Identifizierung mit dem Job führt meist zu besseren Ergebnissen. Schauen Sie doch mal auf die Visitenkarten von Außendienstmitarbeitern. Da lesen Sie alles Mögliche außer etwas über die wirkliche Tätigkeit, mit der sie sich identifizieren sollten. Da gibt es Bezeichnungen wie Gebietsverkaufsleiter, Key-Account-Manager, Sales Representative, Kundenbetreuer, Kundenberater und was sonst noch alles. Aber ich habe noch nie eine Visitenkarte mit der klaren Bezeichnung „Verkäufer“ gesehen. Dabei wäre das doch die einzig richtige Tätigkeitsbeschreibung. Wenn ich als Firma meinen Außendienstlern „Kundenberater“ aufs Kärtchen schreibe, brauche ich mich nicht zu wundern, wenn sie genau das tun: Berater beraten und Verkäufer verkaufen.
Auch die Kommunikation zwischen Führungskraft und Außendienstler führt oft zum falschen Rollenverständnis. Wenn immer nur die Rede von Kundenbetreuung, Kundengewinnung und Produktberatung ist, braucht sich keiner wundern, wenn all das getan wird – nur nicht verkauft.
Sowohl Führungskraft als auch Außendienstler müssen also die Rolle des Außendienstes als das einordnen, was es ist: es geht ausschließlich ums Verkaufen. Wird dieses Verständnis immer wieder geschärft, wird auch alle Anstrengung auf das eine Ziel gerichtet: zu verkaufen. Dann werden Touren effizient geplant, dann werden alle bestehenden Potenziale der Kunden ausgeschöpft, dann werden neue Kundengruppen erschlossen und vieles mehr. Das ist so ähnlich wie beim Fußballspielen, wenn man weiß, dass der Ball ins Tor muss, wird man alles versuchen ihn genau dorthin zu bekommen.
Reinhold Würth beendete seinen Brief an seine Außendienstmitarbeiter mit den Worten: „Bitte vergessen Sie nicht, dass Sie die schönste Zeit Ihres Lebens im Beruf verbringen. Deshalb gehört hobbyhafte Freude und unbändiger Spaß am Erfolg dazu. Andernfalls empfehle ich, sich einen anderen Job zu suchen.“